
MPB trifft: Fotojournalistin Roopa Gogineni
Veröffentlicht am 19. Dezember 2024 von MPB
Lerne in diesem Interview Roopa Gogineni kennen, eine preisgekrönte Fotojournalistin und Filmemacherin, die Geschichten von Widerstandsfähigkeit, Widerstand und Revolution festhält.
Ursprünglich aus West Virginia stammend, war Roopa Gogineni ein Jahrzehnt an Projekten in ganz Ostafrika beteiligt und hat in Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften Geschichten kreiert, die den Status quo in Frage stellen. Sie arbeitete mit Mau-Mau-Veteranen zusammen, um deren Geschichten zu dokumentieren, als diese die britische Regierung wegen der Missbräuche in Kenia während der Kolonialzeit verklagten.
Heute lebt Roopa Gogineni in Paris und Atlanta und hat unter anderem als Dokumentarfilmerin für revolutionäres Theater im Sudan oder als Regisseurin für Reality-TV in Somalia gearbeitet. Roopa Gogineni hat einen Master of Science in Afrikastudien von der Universität Oxford.
Mit Filmen, die auf Festivals wie IDFA, Hot Docs, SXSW und weiteren Premiere feierten, ist Roopa Goginenis Arbeit weltweit anerkannt. Ihr Film I AM BISHA, der die Geschichte hinter den Kulissen eines satirischen Puppentheaters im Sudan zeigt, wurde mit dem Oscar-qualifizierenden Full Frame Jury Award for Best Short, dem One World Media Award und dem Rory Peck Award ausgezeichnet.
Im Jahr 2021 ernannte die gemeinnützige Organisation CatchLight Roopa Gogineni zu einer ihrer Global Fellows und unterstützte ihr Projekt Timepass / Let the Record Show.
In diesem Interview gibt Roopa Einblicke in die dynamische Welt des Fotojournalismus, erläutert die Feinheiten ihres Projekts The Future of Aid und gibt Tipps für angehende Fotojournalist:innen. Wie ist es wirklich, eine Karriere im Fotojournalismus zu machen? Roopa Gogineni erzählt es uns.

Roopa Gogineni und ihre Assistentin Zainab hinter den Kulissen des Projekts "The Future of Aid".
Erfahrungen als Fotojournalist:in
MPB: Warum bist du Fotojournalistin geworden?
RG: Meine erste Begegnung mit dem Fotojournalismus war, als ich 14 Jahre alt war, ein paar Monate nach 9/11. Mein Vater nahm mich zu einem Vortrag von Eddie Adams und Nick Ut mit, deren legendäre Fotos – das eine zeigt die Hinrichtung eines Gefangenen des Vietcong, das andere Kinder, die vor einer Napalmbombe fliehen – dazu beitrugen, die öffentliche Meinung über den Vietnamkrieg zu verändern. Nach der Vorlesung fragte ich mich, welche Bilder den Krieg in Afghanistan prägen würden und wie man Jahrzehnte später über diese Bilder sprechen würde.
Nach meinem College-Abschluss verbrachte ich einen Sommer als Assistentin der Fotografen Dominic Nahr und Ed Ou in Kenia. Diese Erfahrung bestätigte mich darin, dass Fotografie und Journalismus die Art und Weise waren, wie ich mich mit der Welt auseinandersetzen wollte. Es war keine einfache Zeit, um in die Branche einzusteigen. Der Printjournalismus befand sich in einer Krise, und die meisten US-Zeitungen reduzierten ihre internationale Berichterstattung.
Ich wollte verstehen, welche Geschichten erzählt werden und warum. Dies führte mich zu einem Studium an der Universität Oxford, wo ich die Konstruktion von Narrativen der Medien über Somalia untersuchte. Danach zog ich zurück nach Nairobi, um Geschichten zu verfolgen, die diese verfestigten Narrative in Frage stellen.
MPB: Wie entscheidest du, welche Projekte du verfolgen möchtest?
RG: Im Laufe der Jahre habe ich begonnen, längerfristige Foto- und Dokumentarfilmprojekte durchzuführen. Ich fühle mich zu Geschichten über Menschen hingezogen, die sich in verschiedenen Formen des Widerstands engagieren, ob es sich um Demonstrant:innen im Sudan, Historiker:innen in Georgien oder Musiker:innen in Somalia handelt.
MPB: Mit welchen Herausforderungen bist du als Fotojournalistin konfrontiert?
RG: Ich schätze die Flexibilität der Freiberuflichkeit, weil ich mir meine Projekte und meinen kreativen Ansatz aussuchen kann. Der Nachteil ist, dass ich mehr Zeit mit der Suche nach Finanzierung und Vertrieb verbringe. Aber auch das kann eine Chance sein, Modelle des Storytellings zu überdenken.

Über The Future of Aid
MPB: Dein Projekt „The Future of Aid“ (Die Zukunft der Hilfe) untersucht einen Wandel in der Herangehensweise an die humanitäre Hilfe in Somalia, weg von traditionellen Lebensmittelspenden hin zu Geldtransfers. Kannst du uns mehr über dieses Projekt erzählen?
RG: Während ich über Konflikte und Krisen in ganz Ostafrika berichtete, wurde ich oft Zeugin der erschütternden Ineffizienz der humanitären Hilfe. In Somalia eröffnete der weit verbreitete Einsatz von mobilem Geld die Möglichkeit für ein neues Hilfsparadigma.
Die traditionelle Nahrungsmittelhilfe überschwemmt die lokalen Märkte mit landwirtschaftlichen Überschüssen aus westlichen Ländern. Stattdessen begannen die humanitären Organisationen damit, den Vertriebenen mobile Geldtransfers zukommen zu lassen, damit sie diese nach Bedarf ausgeben können.
Es gab umfangreiche quantitative Untersuchungen, die darauf hindeuteten, dass die Menschen ihre Transfers vernünftig ausgaben. Einige Organisationen und Geber zögerten jedoch, dieses Modell zu übernehmen, da sie befürchteten, dass die Gelder falsch ausgegeben oder an falsche Akteur:innen weitergeleitet werden könnten.
Die humanitäre Organisation Concern Worldwide beauftragte mich, bei der Visualisierung der Forschung in einem Lager für Binnenvertriebene in Burao, Somaliland, mitzuwirken.
Nach dem Ausfall von drei aufeinanderfolgenden Regenzeiten mussten Hunderttausende von Hirten in der Region mit ansehen, wie ganze Kamel-, Ziegen- und Schafherden starben. Viele verließen ihre traditionellen Weidegebiete und zogen in Lager für Binnenvertriebene, wo die am stärksten gefährdeten Menschen Geldtransfers erhielten.
MPB: Das Projekt konzentriert sich auf individuelle Geschichten durch intime Porträts als Medium: Kannst du uns sagen, wie du dich für diese Erzählweise entschieden hast?
RG: Für dieses Projekt wollte ich so viele Empfänger:innen von Geldtransfers wie möglich fotografieren und zeigen, wie jede Person ihr Geld entsprechend ihren Bedürfnissen ausgibt.
Ich wollte, dass die Fotos intim wirken, aber auch einen empirischen Wert haben. Aus diesem Grund reiste ich mit einem schwarzen Hintergrund, um die Porträts einheitlich gestalten zu können. Meine Assistentin Zainab und ich richteten einen Fotoautomaten in einem Einzimmer-Blechbau am Rande des Lagers ein. Wir baten die Leute, vorbeizukommen und mitzubringen, was sie mit ihrem monatlichen Bargeldtransfer gekauft hatten. Im Laufe einer Woche trafen wir fast 100 Menschen, von denen die große Mehrheit Lebensmittel mitbrachte.
MPB: Gab es bestimmte Geschichten oder Momente, die dich besonders berührt haben? Wie bist du vorgegangen, um eine Verbindung zu den Personen, die du fotografiert hast, aufzubauen und deren persönliche Erfahrungen herauszuarbeiten?
RG: Bevor ich Bilder gemacht habe, haben wir uns mit allen potenziellen Teilnehmer:innen einzeln zusammengesetzt und den Zweck des Projekts erklärt. Wir machten ihnen klar, dass sie sich jederzeit abmelden können und dass dies keine Auswirkungen auf ihre Teilnahme am Geldtransferprogramm hat. Dann erkundigten wir uns danach, wie sie in das Lager gekommen waren.
Wir hatten nicht viel Zeit mit jeder Person – eine halbe Stunde oder weniger. Aber es war wichtig, mit einem sinnvollen Austausch zu beginnen, vor allem in Anbetracht des Umbruchs, den sie erlebt hatten. Der Raum war klein, was eine gewisse Intimität ermöglichte. Nachdem ich mir ihre Geschichte angehört hatte, öffnete ich die Tür, um etwas Licht hereinzulassen, und begann, Fotos zu machen. Zainab hielt gelegentlich einen Reflektor hoch, um das Licht zu verstärken. Am Ende machte ich noch ein Polaroid-Porträt, das sie behalten durften.
MPB: Wie sah dein Bearbeitungsprozess aus?
RG: Die Nachbearbeitung war ziemlich schnell und unkompliziert. Ich habe die Schatten abgedunkelt, weil der Hintergrund in den RAW-Dateien nicht rein schwarz war. Ansonsten musste ich gelegentlich den Weißabgleich anpassen, weil der von uns verwendete Reflektor golden war.

Ratschläge für die Arbeit als Fotojournalist:in
MPB: Welche Kameraausrüstung verwendest du normalerweise für Foto- und Videoprojekte? Welche andere Ausrüstung ist ein Muss?
RG: Als ich anfing, habe ich die Canon EOS 5D Mark II für alles verwendet. Sie ist absolut zuverlässig und ich habe sie geliebt. Als ich anfing, Dokumentarfilme zu drehen, fand ich es nützlich, meine Foto- und Videoausrüstung zu trennen. Im Moment sind meine Fotokameras die Leica M10 Black Chrome und die Fujifilm GFX 100S. Filme drehe ich mit einer Panasonic AU-EVA1 5.7K.
MPB: Hast du irgendwelche Tipps und Tricks für angehende Fotojournalist:innen?
RG: Sei nett zu deinem Körper! Wie viele Fotograf:innen hatte ich Rückenprobleme und achte jetzt sehr darauf, wie ich meine Ausrüstung trage. Wenn ich auf Reisen bin, kommt alles in einen Rollkoffer. Wenn ich diskret sein muss, packe ich alles in gepolsterte Taschen in einen normalen Koffer. Wenn nicht, benutze ich einen Lowepro-Rollkoffer. Bei der Arbeit trage ich einen gepolsterten Hüftgurt von Think Tank und Taschen für Objektive, Batterien und Audioausrüstung.
Ein weiterer Ratschlag, den ich geben kann, ist die sorgfältige Sicherung von Festplatten. Ich habe immer wieder Alpträume von beschädigten, gestohlenen oder beschlagnahmten Festplatten!
Und schließlich solltest du dir genau überlegen, wie du etwas erschaffen kannst, das mit deinen Werten übereinstimmt. Suche dir eine kreative Community, mit der du dich austauschen und zusammenarbeiten kannst. Fotojournalismus muss keine einsame Arbeit sein.

Weitere Interviews findest du auf dem MPB-Blog.