
Schwarz-Weiß-Fotografie | Bildbearbeitung
Veröffentlicht am 22. November 2024 von MPB
Schwarz-Weiß-Fotos üben seit jeher eine ganz besondere Faszination aus. Durch das Weglassen von Farbe kann sich das Auge leichter auf andere Aspekte wie Licht und Schatten sowie kontrastreiche Formen und Strukturen konzentrieren. Für ein gutes Schwarz-Weiß-Foto ist es allerdings nicht ausreichend, deine Kamera einfach in den Schwarz-Weiß-Modus umzustellen.
Entscheidend ist die korrekte Bearbeitung, bei der die Kontraste im Bild gezielt herausgearbeitet werden. Das schult auch das Auge und hilft dir zukünftig einschätzen zu können, welche Motive eine gute Schwarz-Weiß-Umsetzung versprechen.
Maike Jarsetz ist ausgebildete Fotografin und als Trainerin, Autorin und Beraterin im Bereich Fotografie und Bildbearbeitung, Print und Publishing tätig. Ihre Bücher, Videotrainings sowie regelmäßige Workshops und Online-Seminare geben dir wertvolle Tipps, um deine Bildbearbeitungstechniken zu verbessern. Ihr aktuelles Programm findest du unter jarsetz.com/termine. Wir sprechen mit ihr über den Reiz von Schwarz-Weiß-Fotos verschiedener Genres, die richtige Motivauswahl und Bearbeitung sowie empfehlenswerte Bearbeitungsprogramme. Entdecke ihre Tipps im folgenden Interview.

Råbjerg Mile (Skagen, Dänemark) | Sony Alpha 7 II | Sony FE 28-70mm f/3.5-5.6 OSS | f/8 | 1/400 | ISO 200
MPB: Was fasziniert dich am meisten an der Schwarz-Weiß-Fotografie?
MJ: Was die Schwarz-Weiß-Fotografie so faszinierend macht, ist sicherlich die Reduzierung auf Licht und Schatten. Du wirst nicht durch Farben abgelenkt und Motive werden auf das Wesentliche reduziert. Das ist bei klassischen Porträtaufnahmen besonders sichtbar. Wenn du ein Porträt schwarz-weiß ausarbeitest, bekommt es auf einmal eine Zeitlosigkeit. Das ist bei vielen anderen Genres ähnlich.
Wenn du Landschaften fotografierst, hast du den gleichen Effekt. Natürlich werden Landschafts- oder Naturmotive auch durch Farben sehr eindrucksvoll. Aber Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen das Wetter, zeigen Licht, zeigen die Dramatik in der Landschaft – also diese großen und kleinsten Lichtspiele, die da sind, die du sonst vielleicht gar nicht so sehen würdest, weil du von Farbe abgelenkt werden würdest.
Architekturfotografie ist ein weiteres Beispiel. Architektur lebt durch Details, lebt durch Formen, lebt durch Geometrie. Und all das siehst du in der Reduzierung auf Licht und Schatten am besten.
Das alles heißt nicht, dass jedes Bild in schwarz-weiß besser ist. Aber es bedeutet, dass du in jedem Genre wirklich spannende Schwarz-Weiß-Motive entdecken kannst.

Canon EOS 5D Mark IV | Canon EF 17-40mm f/4 L USM | f/2.8 | 1/30 | ISO 400
MPB: Sollte ich direkt schwarz-weiß fotografieren oder das Bild nachbearbeiten?
MJ: Wir fotografieren ja selten wirklich Schwarz-Weiß. Die Zeit der analogen Schwarz-Weiß-Filme ist vorbei. Es gibt einige wenige monochrome Kameras, wie die Leica M Monochrom, das ist dann ein Spezialfall. Ansonsten nehmen wir mit der Kamera zunächst alle Farben auf.
Wenn ich meine Kamera auf Schwarz-Weiß stelle, habe ich hinten auf dem Display nur eine standardisierte Graustufenansicht. Und die zeigt mir nicht unbedingt das, was wirklich Schwarz-Weiß in diesem Bild steckt, weil zur Schwarz-Weiß-Entwicklung unglaublich viel gehört, was man aus Lichtkontrasten, aber auch aus Farbkontrasten noch rausholen kann. Dieses sehe ich auf dem Kameradisplay noch nicht, sondern muss ich selber beurteilen können – auch schon in Farbe.
Für mich ist eigentlich der bessere Weg, ganz normal mit den gewählten Kameraeinstellungen zu fotografieren und allmählich in der RAW-Entwicklung zu lernen, welches Bild Potenzial als Schwarz-Weiß-Bild hat und welches nicht.

Sony Alpha 7 II | Sony FE 24-105mm f/4 G OSS | f/4 | 1/5000 | ISO 125
MPB: Was wäre denn ein gutes Potential für ein Schwarz-Weiß-Bild?
MJ: Tatsächlich Licht und Schatten – in irgendeiner Form müssen Kontraste da sein. Das ist das Wesentliche, denn Schwarz-Weiß lebt wie schon gesagt nicht durch bunte Farben, sondern durch vorhandene Kontraste. Das kann ein starker Licht-Schatten-Kontrast oder auch ein Detailkontrast sein.
Das können ebenso Farbkontraste sein – vorausgesetzt, dass sie sich nachher in Schwarz-Weiß umsetzen lassen. Am besten eignen sich hier Komplementärfarben.
Denn es gibt auch einige Farbkontraste, die auch nur in Farbe funktionieren. Du kannst zum Beispiel grün und blau gut nebeneinander stellen und das sieht knackig und leuchtend aus. In Schwarz-Weiß ist es dann aber eine graue Masse. Dafür musst du dann mit der Zeit einen Blick entwickeln.

Sony Alpha 7 II | Canon EF 17-40mm f/4 L USM | f/14 | 1/40 | ISO 320
MPB: Worauf sollte ich bei der Bearbeitung von Schwarz-Weiß-Fotos achten?
MJ: Ich entwickle ein Bild erst mal in Farbe, um überhaupt eine Referenz zu haben, welche Brillanz, welcher Kontrast, welche Aussage in dem Farbbild steckt. Und dann mache ich mich an die Umsetzung in schwarz-weiß.
Dabei gilt immer: Ein gutes Schwarz-Weiß-Bild hat nur dann seine Berechtigung, wenn es tatsächlich besser, aussagekräftiger und wirkungsvoller als das Farbbild ist. Und das sehe ich nur dann, wenn ich das Farbbild auch perfekt vorentwickelt habe. Zu dieser Vorentwicklung gehört eine ganz klassische Tonwertkorrektur. Dabei solltest du schon darauf achten, dass du ein richtiges Schwarz und ein richtiges Weiß hast, weil unser Ziel ja ist, ein echtes Schwarz-Weiß-Bild zu kreieren und kein flaues Graustufenbild.
Es ist ebenfalls wichtig, dass Farbstiche ausgeglichen werden, denn wenn ich das vorher nicht mache und das Bild dann einfach in Graustufen umwandle, dann wird ein eventueller Farbstich wie ein Schleier auf dem Bild liegen und das Bild flauer erscheinen lassen. Später in Schwarz-Weiß kann man dann nicht mehr genau erkennen, was die Ursache für diesen Grauschleier ist.
Außerdem geht es bei der Schwarz-Weiß-Umsetzung darum, die Kontraste, die du im Bild gesehen hast und in Schwarz-Weiß umsetzen möchtest, möglichst perfekt herauszuarbeiten.
Das kannst du entweder mit verschiedensten Kontrastkorrekturen, wie einer Gradationskurve tun, du kannst aber auch einen Klarheits-Regler oder den “Dunst entfernen”-Regler verwenden. Ein Struktur-Regler bietet sich an, wenn das Bild wirklich kleinste Detailkontraste hat.
Auch die gesteuerte Umsetzung der Farben in Graustufen kann diese Kontraste wirklich herausarbeiten. Zu den Klassikern zählen ein gelblicher Strand und ein blauer Himmel – diesen Komplementärkontrast kannst du in einen sehr starken Hell-Dunkel-Kontrast umsetzen.

Plaza de España (Sevilla, Spanien) | Sony Alpha 7 II | Sony FE 24-105mm f/4 G OSS | f/14 | 1/160 | ISO 200
MPB: Heißt das, dass du bereits vor der Aufnahme siehst, dass sich das Bild gut in Schwarz-Weiß eignen würde? Oder passiert es auch, dass du dir erst bei der Bearbeitung denkst, dass das Bild Schwarz-Weiß sein sollte?
MJ: Idealerweise passiert es davor schon, dass ich denke: “Wow, das will ich in Schwarz-Weiß machen.” Manche Fotograf:innen gehen auch mit dem konkreten Ziel los, in schwarz-weiß zu fotografieren. Dann musst du die geeigneten Motive entsprechend suchen.
Ich gebe ja auch oft Workshops, darunter auch Workshops für die Schwarz-Weiß-Fotografie, in denen zunächst auf das Thema sensibilisiert wird und die fürsSchwarz-weiß geeigneten Bildkontraste thematisiert werden. Dann gehen wir gezielt los und überlegen, was in Schwarz-Weiß gut wirken kann.
Aber wenn du jetzt einfach alleine unterwegs bist, auf einer Reise oder auf einer kleinen Foto-Exkursion, dann schaust du wahrscheinlich in erster Linie nach Motiven. Das kann mal ein Farbmotiv sein. oder auch mal eines, bei dem du von vornherein denkst, dass es gut Schwarz-Weiß aussehen würde.
Aber auch wenn du Kontraste im Farbbild entwickelst und das Ganze dann nochmal in Schwarz-Weiß ausprobierst, kann das überraschend gute Ergebnisse bringen. Das würde ich gar nicht auf die eine oder andere Art einschränken. Da geht alles.

Las Setas (Sevilla, Spanien) | Sony Alpha 7 II | Canon EF 17-40mm f/4 L USM | f/13 | 1/100 | ISO 160
MPB: Welche Programme verwendest du meistens für die Bearbeitung von Schwarz-Weiß-Bildern?
MJ: Ich entwickle meine RAW-Dateien mit Lightroom, manchmal auch mit Camera Raw. Damit bin ich für die eine Schwarz-Weiß-Entwicklung perfekt ausgestattet. Das Gleiche gilt aber auch für Capture One. Auch da sind alle Mittel an Bord, die du benötigst.
Es gibt natürlich auch noch kleine Feinheiten und Kniffe, die du mit Photoshop herausholen kannst, Du kannst beispielsweise mit der Luminanz-Auswahl noch mal die Spitzlichter und die Tiefen betonen, damit es dann auch wirklich ein eindrucksvolles und brillantes Schwarz-Weiß-Bild wird.
Es gibt außerdem Plugins, die du nutzen kannst. Am bekanntesten sind denke ich die Silver Efex von Nik. Das Besondere daran ist, dass versucht wird, analoge Filme zu simulieren, deren Parameter, wie die zugrundeliegende Gradationskurve, aber alle noch variiert werden können.

Château Turpault (Quiberon, Frankreich) | Sony Alpha 7 II | Sony FE 70-200mm F/4 G OSS II | f/11 | 1/200 | ISO 200
MPB: Hast du noch abschließende Tipps für die Schwarz-Weiß-Fotografie?
MJ: Wichtig ist, wie ich bereits gesagt habe, nach Kontrasten zu suchen und vorab im Kopf schon etwas in Schwarz-Weiß zu filtern. Also auf Licht und Schatten, Kontrast, Komplementärfarben oder knackige Details zu achten. Du solltest aber auf jeden Fall, gerade wenn du mit Gegenlicht spielst, auf die richtige Belichtung achten, weil es sonst sehr schnell passiert, dass die Lichter mal ausbrennen. In diesem Fall ist es hilfreich, eine Belichtungsreihe zu machen, um dann auf jeden Fall sicheres Ausgangsmaterial zu haben.
Wenn du mit RAW-Daten arbeitest, was ich absolut empfehlen möchte, hast du große Toleranzen. So bist du meistens auf der sicheren Seite. Aber wenn du Lichtreflexe oder gar Gegenlicht hast, solltest du darauf achten, dass du auch mal auf die helleren Bildzonen belichtest, damit da noch Zeichnungen drin sind.
Hab aber trotzdem keine Angst vor ausgefressenen Lichtern oder beschnittenen Tiefen. (Das ist das, was im Histogramm öfter mal blinkt.) Darüber musst du dir weniger Gedanken machen. Im Gegenteil, wenn es da kontrastreich zugeht, ist es gut, weil du dann genau das Schwarz und Weiß erzeugst, was du in deinem Schwarz-Weiß-Bild haben möchtest.
Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass ein Schwarz-Weiß-Bild nicht dasselbe wie ein Graustufenbild ist oder umgekehrt. In dem Moment, wenn ich von Farbe auf schwarz-weiß umstelle, sei es in der Kamera oder in der Entwicklung, ist das noch kein Schwarz-Weiß-Bild, sondern zunächst nur Graustufen. Ich muss dafür sorgen, dass ich wirklich einen schönen Schwarz-Weiß-Kontrast im Bild entwickeln und herausarbeiten kann. So hat das Bild dann auch eine tolle Wirkung.

Stilfser Joch (Norditalien) | Sony Alpha 7 II | Sony FE 24-105mm f/4 G OSS | f/8 | 1/60 | ISO 800
Vielen Dank, Maike.
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