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Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Person mit einem Pflaster unterhalb des rechten Auges, Zuschnitt

Interview: “Six Degrees of Copenhagen” mit Jens Juul

Veröffentlicht am 14. März 2025 von MPB

Jens Juul ist Fotograf und bildender Künstler aus Kopenhagen, sowie Preisträger des BBA Photography Prize 2021. Mit der Fotografie hat er bereits in jungen Jahren begonnen. Bilder zu machen war und ist für ihn eine tolle Möglichkeit, die Welt zu entdecken, Geschichten zu erzählen und das Leben verschiedenster Menschen zu dokumentieren.

Wir von MPB sind stolz, die Ausstellung seines langjährigen Projekts Six Degrees of Copenhagen in der BBA Gallery in Berlin als seine erste Einzelausstellung und Teil des 10. European Month of Photography zu sponsern. 

Die Six Degrees of Copenhagen-Fotoreihe beruht auf der Theorie der 'Sechs Grade der Trennung', welche besagt, dass alle Menschen auf der Welt über nur sechs Beziehungen miteinander verbunden seien. Jens Juul hat diese Theorie auf seine Porträtreihe übertragen und sich durch die sozialen Beziehungen verschiedener Menschen in Kopenhagen bewegt. 

Wir haben den Fotografen in der BBA Gallery getroffen, um über seine Arbeit, sein Equipment sowie sein Interesse an Menschen und deren Geschichten zu sprechen.

Schwarz-Weiß-Porträt vom dänischen Fotografen Jens Juul

Jens Juul

Jens Juul hat für dieses Projekt Personen in seiner Heimatstadt Kopenhagen auf der Straße, in Restaurants oder Cafés angesprochen und gefragt, ob er ein Foto von ihnen machen könnte. Willigte die jeweilige Person ein, besuchte Jens Juul die Person zu Hause, um sie zu fotografieren. Die Person sollte im nächsten Schritt dann eine andere Person aus dem eigenen Umfeld empfehlen, sei es eine Nachbarin, der Bruder oder ein:e Freund:in und so weiter. Nach sechs Personen aus einem Netzwerk wählte Jens Juul eine neue Person aus und der Zyklus begann von vorne. 

MPB: Wer oder was hat dich inspiriert, dieses Projekt durchzuführen? 

JJ: Six Degrees of Copenhagen war mein erstes Projekt als Fotograf. Die Idee kam mir vor ungefähr 13 Jahren und die letzten acht bis zehn Jahre habe ich dann intensiv daran gearbeitet. Inspiriert wurde diese Serie vom Konzept der “Sechs Grade der Trennung” des ungarischen Schriftstellers Frigyes Karinthy aus dem Jahr 1929. Seine Theorie besagt, dass alle Menschen auf der Welt über sechs Grade miteinander verbunden seien. Das ist ebenfalls eine gute Methode, um Porträts aufzunehmen. 

Ich mag die Idee, dass ich das ganze Projekt nicht selbst gestalte, sondern dass es eine dynamische Arbeitsweise ist. Das Projekt hat sein eigenes Leben, es hat seine eigene Art, sich selbst zu erschaffen, ohne dass ich ein Teil davon bin. Ich bin natürlich in den Prozess mit den Menschen eingebunden, mache es auf meine Art, meine Art der Kommunikation mit den Menschen, aber das Projekt selbst bezieht die Menschen mit ein.

Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Person mit einem Pflaster unterhalb des rechten Auges, aufgenommen von Jens Juul

Six Degrees of Copenhagen | Canon EOS 5D Mark II | Canon EF 35mm f/1.4 L II USM | f/8 | 1/125 | ISO 400

MPB: War der Plan von Anfang an, diese Porträts auch zu veröffentlichen?

 JJ: Wenn ich ein Projekt beginne, dann mache ich das erstmal nur für mich. Für meine eigene Begierde, mich in ein Projekt zu stürzen. Ich denke nicht daran, es auszustellen. Aber dann beginnt die Arbeit plötzlich zu wachsen, und ich stelle fest, dass sie auch für Menschen außerhalb meines Umfeldes eine Bedeutung haben kann. 

Und dann gibt es noch die Foto-Wettbewerbe. Ich wurde von anderen Fotograf:innen ermutigt, daran teilzunehmen, weil sie der Meinung waren, dass meine Arbeit wertvoll sei. Der BBA Photography Prize ist ein gutes Beispiel dafür. 

Die Fotowelt ist insgesamt sehr offen. Natürlich ist der Wettbewerbsgedanke irgendwo da, aber nicht wie in anderen Kunstsparten. Es ist vielmehr ein offener Raum, in dem man sich gegenseitig weiterempfehlt und sich hilft. Foto-Wettbewerbe sind offen für alle und jede:r kann daran teilnehmen. 

MPB: Das bedeutet auch, dass es nicht nötig ist, das teuerste Equipment zu besitzen?

JJ: Genau so ist es. Zu Beginn habe ich mit einer Canon EOS 500D gearbeitet, später auch mit einer Canon EOS 5D Mark II. Je kleiner die Ausrüstung, desto besser für meine Zwecke. Wenn ich mit den Menschen zusammen bin, die ich fotografieren möchte, ist es ein einziger großer Prozess. Ich stelle Fragen, ich mache Fotos, ich stelle weitere Fragen, ich mache weitere Fotos. Ich muss aber auch sagen, dass je mehr ich in der Fotografie Fuß gefasst habe, desto teurer wurde meine Ausrüstung.

Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Person, der Kopf ist im Bild nicht zu sehen, sitzend, mit einer Zeitung auf dem Schoß, auf dem ein Fisch liegt. Aufgenommen von Jens Juul.

Six Degrees of Copenhagen | Leica M Monochrom | 35mm | 1/125 | ISO 1000  

Nach der Arbeit mit einer Canon EOS 5D Mark II und Kameras von Olympus und Ricoh ist Jens inzwischen bei Kameras von Sony gelandet, da sie recht klein sind und einen tollen Autofokus besitzen. Die Kameramarke ist also nicht entscheidend, es geht vielmehr darum, dass die Kamera ihren Zweck erfüllt, nämlich intime, nahbare Fotos von Menschen aufzunehmen. Das Wichtigste ist, dass das Equipment klein ist und dabei eine hohe Auflösung sowie einen guten Autofokus besitzt. 

MPB: Wieso fotografierst du in Schwarz-Weiß? 

JJ: Es ist sehr klassisch, es ist zeitlos. Schwarz-weiß lässt alle unwichtigen Informationen weg. Mir ist die Haarfarbe oder die Farbe der Kleidung egal. Mich interessiert der Eindruck der Person. Je mehr Farbe man wegnimmt, desto nackter wird der Ausdruck.

MPB: Sind die Leute normalerweise damit einverstanden, fotografiert zu werden?

JJ: Ja, die meisten schon. Wenn ich zu jemandem nach Hause gehe, bringe ich nicht meine ganze Ausrüstung mit. Ich komme nicht als Fotograf, ich komme als Mensch. Es geht darum, Beziehungen aufzubauen, damit sie sich in meiner Gesellschaft sicher fühlen, dass ich sie respektiere und sie nicht überrascht sind oder sich unwohl fühlen mit der Art, wie ich arbeite oder wie ich bin. Wenn wir nicht auf einer Wellenlänge sind, hat das keinen Sinn. Wenn sie unsicher sind, sind sie auch nicht entspannt, das würde dann nicht funktionieren.

Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Person mit einer Zigarette in der rechten Hand, direkt in die Kamera blickend, aufgenommen von Jens Juul

Six Degrees of Copenhagen | Canon EOS 5D Mark II | Canon EF 35mm f/1.4 L USM | f/3.5 | 1/125 | ISO 400 

MPB: Wie viel Zeit verbringst du in der Regel mit den Menschen, die du fotografierst?

JJ: Ich besuche die Menschen, die ich fotografiere, häufig mehrmals. Bevor ich gehe, frage ich, ob ich wiederkommen kann, falls ich mit der Arbeit noch nicht zufrieden bin. Und normalerweise sagen sie: Ja, natürlich, du bist immer willkommen. 

Je besser man die Leute kennenlernt, desto entspannter sind sie, sie vertrauen dir und man hat sehr intime Sitzungen und kann sehr viele persönliche Fragen stellen. Wir sprechen dann beispielsweise über den Tod und verschiedene Traditionen darum herum. Aber es gibt auch andere Situationen. Es kommt durchaus vor, dass ich, bevor ich mit den Leuten spreche, anfange zu fotografieren. Die Ausrüstung muss also immer bereit sein, in den richtigen Einstellungen. Als Fotograf:in musst du sein wie Lucky Luke, immer bereit zum Schießen. 

MPB: Wonach suchst du bei den Menschen, die du fotografierst? 

JJ: Wenn dir Menschen direkt in die Augen sehen, kannst du Vertrauen zu ihnen aufbauen. Wenn ich jemanden sehe, der den Augenkontakt meidet, aber gleichzeitig eine besondere Wirkung hat, wie eine schüchterne Person, die mit Tätowierungen bedeckt ist, dann sind das zwei verschiedene Signale. Die Tätowierungen zeigen, dass man erkannt werden möchte, aber die Schüchternheit ist das Gegenteil davon. Das ist also ein guter Grund, diese Person anzusprechen.

Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Person mit Tattoos überall am Körper, die ihren Rock hochhebt, sodass die Unterhose zu sehen ist, der Kopf ist im Bild nicht zu sehen, aufgenommen von Jens Juul

Six Degrees of Copenhagen | Canon EOS 5D Mark II | Canon EF 24-70mm f/2.8 L II USM | 30mm | f/5.6 | 1/180 | ISO 250

MPB: Erzählst du den Leuten, die du fotografierst, auch viel von dir?

JJ: Selbstverständlich. Ich bringe meine ganze Persönlichkeit mit, das muss man tun. Wenn man etwas nimmt, muss man auch etwas zurückgeben. Ich muss einige meiner Geheimnisse preisgeben, damit die andere Person mir auch ihre Geheimnisse erzählt. Ich habe auch festgestellt, dass viele Menschen es genießen, die Aufmerksamkeit von einer Person zu bekommen, die ihnen gezielt zuhört und viele Fragen stellt. Sie fühlen sich dadurch gesehen und teilen gerne ihre Geschichten mit mir. Das ist das Wichtigste an meiner Arbeit. Das heißt: immer viel Kaffee trinken, viele Fragen stellen und viel zuhören.

Schwarz-Weiß-Aufnahem einer Person, die raucht und mit ernstem Gesichtsausdruck direkt in die Kamera blickt, aufgenommen von Jens Juul

Six Degrees of Copenhagen | Sony A7 III | Sony Zeiss Sonnar T* FE 35mm f/2.8 ZA | f/5.6 | 1/200 | ISO 200

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