
Schwarze Perspektiven: Fotografin Nicole Benewaah
Veröffentlicht am 14. März 2025 von MPB
Der Black History Month, begründet in den USA, der an Menschen und Ereignisse der afrikanischen Diaspora erinnert, wurde in Deutschland in den 1990er-Jahren ins Leben gerufen – mit dem erklärten Ziel, die Geschichten Schwarzer Menschen und die Vielfalt Schwarzer Perspektiven besser sichtbar zu machen.
In dieser Interviewreihe haben wir drei Schwarze Fotografinnen, Nicole Benewaah, Samia Rachel und Lisa Marie Asubonteng, zu ihren Erfahrungen in der Fotografie-Branche in Deutschland befragt. Nicole Benewaah ergründet in ihrer Fotokunst die Vielfalt innerhalb der Schwarzen Diaspora und möchte zu mehr Repräsentation marginalisierter Gruppen beitragen.

Fatima | “Living in Color”, 2022 | Unterstützt durch die Stiftung Kunstfonds | Nikon D750 | 50mm f/1.8 | f/4.5 | 1/250 | ISO 400
MPB: Was hat dich dazu inspiriert, Fotografin zu werden?
NB: Ich habe bemerkt, dass es visuelle Lücken in meiner eigenen Familienhistorie und eine einseitige Darstellung von Schwarzen Menschen gab. Ich wollte meine Perspektive und die Perspektiven um mich herum auf eine sichtbare Art und Weise erfassen und festhalten. Außerdem ist mir aufgefallen, wie besonders es für mich war, Bilder aus meiner Kindheit zu sehen, die ich noch nicht gekannt hatte. Diese Erfahrung inspirierte mich und gab mir die Möglichkeit, meine kreativen Ideen auszudrücken und mit dem Hintergrund einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.

Feli | “Living in Color”, 2022 | Unterstützt durch die Stiftung Kunstfonds | Nikon D750 | 50mm f/1.8 | f/11 | 1/200 | ISO 400
MPB: Welche Ausrüstung verwendest du für deine Fotografie?
NB: Ich verwende eine Nikon D750 und das 50mm f/1.8, eine Nikon Z6, und das 24-70mm f/4 S, eine Hasselblad 500cm und das Carl Zeiss 80mm.

Samira | “Feeling – No Pain”, 2020 |
MPB: Wie siehst du die Darstellung von Schwarzen Fotografinnen in der Branche derzeit?
NB: Leider sind Schwarze Fotograf:innen in der Branche immer noch unterrepräsentiert, die Sichtbarkeit ist keinesfalls ausgewogen auf dem deutschen Markt. Es ist schön zu sehen, dass es immer mehr Schwarze Models gibt, die vor der Kamera stehen, aber es ist genauso wichtig, Schwarze Fotograf:innen hinter der Kamera zu haben, um auch andere Betrachtungsweisen zu haben. Gerade in Deutschland ist da noch sehr viel Aufholungsbedarf.

Ricarda | “Living in Color”, 2022 | Unterstützt durch die Stiftung Kunstfonds | Nikon D750 | 50mm f/1.8 | f/5 | 1/200 | ISO 400
MPB: Kannst du uns ein Projekt zeigen, auf das du besonders stolz bist und uns erklären, warum?
NB: Es gibt einige Projekte, auf die ich sehr stolz bin. Die Serie „Feeling - No Pain“, die ich 2020 geschossen habe, war für mich sehr besonders. In der Arbeit visualisiere ich die Unterrepräsentation Schwarzer Frauen in den technologischen Diskursen sowie bei der Erstellung von Datensätzen für KI-Prozesse. Als ich 2019 dringend einen Ersatz-Reisepass benötigte und der Fotoautomat zu dunkle Bilder von mir machte, musste ich schnell eine Alternative finden mit einem Fotografen. Dieses Ereignis und der Workshop mit Mutale Nkonde hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass Technologie nicht neutral ist und dass sie für marginalisierte Personen echte Auswirkungen haben kann.
Die transparenten Requisiten, wie Laptops und Mobiltelefone, die verwendet wurden, dienen als Veranschaulichung der Unzugänglichkeit in einigen Bereichen der Technologie. Um diesen Punkt zusätzlich zu unterstreichen, habe ich mich bewusst entschieden, auf 120mm-Film zu fotografieren, um eine historische Linie zu schaffen. Die Shirley Card, die in den 1940er Jahren von Kodak eingeführt wurde, enthielt bis in die 1990er Jahre keine dunklen Hauttöne. Es dient als Erinnerung daran, wie lange es dauern kann, bis marginalisierte Personen in der Technologie repräsentiert werden und wie viel weiter wir noch gehen müssen.
Obwohl wir uns seitdem weiterentwickelt haben, ist es trotzdem besorgniserregend, da diese Systeme in immer mehr Anwendungsbereichen eingesetzt werden, von Strafjustiz bis hin zur Gesundheitsversorgung und von Finanzen bis hin zur Bildung. In all diesen Bereichen besteht die Gefahr, dass bestehende Ungleichheiten verstärkt werden.

Monica | “Feeling – No Pain”, 2020 |
MPB: Kannst du uns von einer Situation berichten, in der du dich als Schwarze Frau in einer von Weißen oder Männern dominierten Umgebung behaupten musstest?
NB: Bis jetzt habe ich noch keine bedeutsamen Situationen erlebt, da ich versuche, Räume zu vermeiden, die für mich giftig sein könnten. Aber falls ich mich einmal in einem Gespräch mit einem weißen männlich gelesenen Fotografen befand, habe ich bemerkt, wie ich unterschätzt werde und es oft Überraschung auslöst, wenn ich erzähle, dass ich keine Hobbyfotografin bin.

Maragaretha | “Living in Color”, 2022 | Unterstützt durch die Stiftung Kunstfonds | Nikon D750 | 50mm f/1.8 | f/3.5 | 1/200 | ISO 400
MPB: Wie hat deine Identität deine Erfahrungen in der Fotografie-Branche beeinflusst?
NB: Als BIPOC* in der Fotografie-Branche habe ich die Bedeutung von Vielfalt und Inklusion erkannt, insbesondere bei der Darstellung von Schwarzen Motiven und Erfahrungen. Wir befinden uns aktuell an einem kritischen Punkt, an dem Schwarze Erfahrungen mehr Aufmerksamkeit erhalten, aber nicht immer vollständig verstanden werden. Dies birgt Herausforderungen, die sich manchmal in Form von Mikro-Aggressionen wie unbedachte Fragen oder unangebrachten Interaktionen ausdrücken können, wie zum Beispiel das Haare-Anfassen in einem professionellen Setting. Deshalb ist es wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen und zu setzen, wenn man in einer Minderheit ist und eine fehlende Sensibilität für die eigene Identität im Arbeitsklima herrscht.
*BIPOC ist eine politische Selbstbezeichnung marginalisierter Gruppen und steht als Sammelbegriff für “Black, Indigenous, and People of Color”.

Abby | “Feeling – No Pain”, 2020 |
MPB: Kannst du uns von einer besonders herausfordernden Erfahrung erzählen, die du als Schwarze weibliche Fotografin in Deutschland gemacht hast?
NB: Die größte Herausforderung, mit der ich als Schwarze weibliche Fotografin in Deutschland konfrontiert bin, ist die Undurchsichtigkeit der Branche. Auch wenn das ein Problem ist, dass unabhängig von der eigenen Identität vorhanden ist, trifft es mehrfach marginalisierte Personen wie mich stärker.
Der springende Punkt ist, wie viel Zeit, Kapital und Netzwerk man hat und braucht, um an den Ort zu gelangen, an dem man sein möchte. Es kann schwierig sein, diese notwendigen Ressourcen aufzubringen, ohne durch alltägliche unangenehme Situationen an sich selbst zu zweifeln. Außerdem spielt die sozioökonomische Situation eine große Rolle und beeinflusst den herausfordernden Start in der Fotografie-Branche.

Cindy | “Feeling – No Pain”, 2020 |
MPB: Wie gehst du an Fotografie heran? Wie sieht dein kreativer Prozess in der Regel aus?
NB: Ich bin eine organisierte Chaotin: Wenn ich persönliche Projekte realisiere, lese ich viel zu dem Thema, lasse es sacken und mache danach meine Moodboards. Wenn ich das Bild visualisieren kann, fange ich erst an, Personen und Models anzuschreiben, die ich mir gut dafür vorstellen kann. Am Shooting-Tag versuche ich immer sehr erdend heranzugehen und sensibel zu sein für die Bedürfnisse der Person, die mir gegenüber steht. Die Bildbearbeitung und Auswahl finde ich am herausforderndsten. Wenn ich dafür Zeit habe, nehme ich sie mir auch, aber wenn es darauf ankommt, kann ich mich schnell entscheiden, das habe ich vor allem in meiner Studienzeit gelernt.
Bei Aufträgen gehe ich eher systematisch heran und versuche mit vielen Fragen zu verstehen, was gewünscht ist, um dem kreativen Prozess stringenter zu folgen.

Sheeko | “Living in Color”, 2022 | Unterstützt durch die Stiftung Kunstfonds | Nikon D750 | 50mm f/1.8 | f/3.2 | 1/200 | ISO 400
MPB: Welche Rolle spielt Intersektionalität in deiner Erfahrung als Schwarze weibliche Fotografin?
NB: Intersektionalität spielt in meiner Erfahrung eine sehr wichtige Rolle, da meine Identitäten als Frau, Schwarze Person und meine Klasse miteinander verknüpft sind und mich auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Diese Realität bestimmt teilweise, wie ich in der Fotografie-Branche wahrgenommen werde und welchen Barrieren ich gegenüberstehe.

Mariza | “Living in Color”, 2022 | Unterstützt durch die Stiftung Kunstfonds | Nikon D750 | 50mm f/1.8 | f/3.5 | 1/250 | ISO 400
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