
Interieur Fotografie: 10 Tipps zur Innenraum-Fotografie
Veröffentlicht am 2. Juli 2025 von MPB
Du möchtest dich an der Interieur-Fotografie versuchen, weißt aber nicht, wo du anfangen sollst? In diesem Artikel gibt die Interieur Fotografin Chantal Weber 10 Tipps, die du bei deinen ersten Schritten berücksichtigen solltest. Nun zu dir Chantal.

Für Fotografie habe ich mich bereits in meiner frühen Jugend begeistert. Damals habe ich eine alte mechanische Spiegelreflexkamera von Ricoh mit meinem Vater in alle Einzelteile zerlegt und repariert. Seither war die Kamera mein ständiger Begleiter und ich habe alles durch die Linse beobachtet und immer versucht, den besten Ausschnitt zu wählen.
Später entschied ich mich zur Ausbildung als Fotografin, damals noch mit analoger Kamera, schwarz-weiß Labor und Pinsel-Retusche. Die analogen Grundlagen der Fotografie halfen mir zu verstehen, welches Ergebnis ich mit welchen Einstellungen erzielen wurde. Dieses Wissen hilft mir auch heute noch.
Zu Beginn meiner Selbständigkeit in 2008 als freiberufliche Fotografin, habe ich überwiegend im Bereich der Mode-Fotografie gearbeitet und mein Portfolio stetig erweitert. Hinzu kamen neben zahlreichen Fotoshootings auch viele neue Kontakte und Kunden. Als schließlich die ersten Anfragen in der Interieur-Fotografie kamen, öffnete sich ein komplett neuer Bereich für mich. Von hektischen Fotosets mit zahlreichen Leuten, Models und Stylisten begab ich mich in die Welt der Architektur, stille und anmutende Locations. Ein harter Kontrast zu einer Foto-Szene, in der viel Action am Set ist - hin zu einem Set, das für sich selbst spricht und still ist.

Die Herausforderung bei Interieur-Fotografie liegt darin, die Schönheit einer Szene einzufangen, ohne viel zu verändern und die Stimmung wiederzugeben, ohne künstliches Licht sichtbar hinzuzufügen. Seit meinen ersten Interieur Shootings habe ich sehr viel Zeit investiert, um zu lernen, mich zu verbessern und zu perfektionieren. Interieur Fotografie ist absolut vielseitig - jede Perspektive bietet eine neue Möglichkeit, dem Raum eine andere Wirkung zu geben. Neben Weitwinkel-Shots, die den gesamten Raum darstellen, finde ich es absolut wichtig, bei Locations auch die Details in anmutenden Fotos einzufangen. Daher fotografiere ich immer eine Mischung aus Weitwinkel-Fotos mit unterschiedlicher Perspektive, kombiniert mit Mood-Fotografie, die die schönsten Details stimmungsvoll einfängt.

Meine 10 Tipps für professionelle Interieur Fotografie für euch sind:
Equipment:
1. Eine gute DSLR-Kamera ist absolut wichtig. Eine feine Auflösung und Pixel sind nötig, um spätere Korrekturen (Entzerrungen) vorzunehmen, ohne an Qualität zu verlieren. Ebenso ist ein lichtempfindlicher Sensor von absolutem Vorteil beim Einfangen stimmungsvoller Details.
2. Objektive. Ich besitze überwiegend Festbrennweiten, da sie im Vergleich zu Zoom-Objektiven weniger Linsenfehler aufweisen und oft mit hoher Lichtstärke ("offene Blende") daherkommen. Für “Mood-Fotos” ist das der Schlüssel zu stimmungsvollen Fotos mit Bokeh. In meiner Fototasche befindet sich immer eine Standardbrennweite mit 50mm f/1.4, eine Tele-Festbrennweite mit 85mm f/1.4, sowie ein Weitwinkel-Zoom mit 16-35mm. Da es ein reines Weitwinkel-Zoom ist, bleibt die Qualität optimal. Ich rate von Zooms ab, die von Weitwinkel bis hin in den Tele-Bereich gehen, hier lauert die Gefahr von Objektivfehlern (falsche Lichtbrechung, chromatische Aberration etc.).

3. Stativ. Das A und O für professionelle Interieur Fotografie ist ein gutes Stativ! Das Stativ sollte möglichst stabil sein und unempfindlich gegenüber Schwingungen. Darüber hinaus ermöglicht das Fotografieren mit Stativ das Einfangen von vorhandenem Licht, sowie eine Langzeitbelichtung bei geschlossener Blende (siehe Tipp 8)
4. Fernauslöser. Manchmal ist es nötig, einen Weitwinkel-Shot mit Fernauslöser durchzuführen (vom Stativ). Es gibt Räume, in denen ein “sich-verstecken” in Spiegelungen absolut nicht möglich ist. Hier kann man seine Kamera mit Stativ final positionieren und den Raum verlassen, um das Foto mit Fernauslöser zu schießen.

Weitere Tipps:
5. Der Fotograf: Auch der Fotograf sollte sich passend kleiden. Ich empfehle schwarze Kleidung. Wie in Punkt 4 bereits erwähnt, ist ein Fernauslöser hilfreich, falls man sich selbst nicht aus Spiegelungen verstecken kann. Manchmal hilft jedoch auch schwarze Kleidung, so dass man in Reflektionen “untergeht”.

Generell unterscheide ich bei Interieur-Fotografie zwischen Weitwinkel-Aufnahmen und ”Mood-Fotografie”.
Mein Tipp für Weitwinkel-Aufnahmen:
6. Die Kamera unbedingt auf das Stativ stellen! Mit dem Weitwinkel-Zoom den passenden Ausschnitt finden. Ich empfehle eine Perspektive, die in eine Ecke schaut, das erzeugt etwas Spannung und Tiefe und wirkt nicht so platt wie eine parallele Wand. Ich persönlich fotografiere gerne auf einer Höhe knapp über Brust, das gibt eine natürliche Ansicht wieder, dennoch keine zu hohe Draufsicht bei Möbeln.
7. Linienführung: Richte die Kamer so aus, dass du möglichst keine stürzenden Linien hast. Diese kann man vermeiden, indem man die Kamera nicht nach oben oder unten neigt. Manchmal muss man dennoch die Kamera minimal nach oben neigen. Die stürzenden Linien muss man dann in der Postproduktion (siehe Tipp 10) entzerren.

8. Belichtung. Es ist sehr wichtig, die Stimmung im Raum so einzufangen, wie sie ist. Unser menschliches Gehirn gleicht Helligkeitsunterschiede jedoch blitzschnell aus, so dass ein Foto immer einen höheren Kontrast hat, als das, was wir persönlich wahrnehmen. Schalte wenn möglich alle vorhandenen Lichtquellen im Raum an, gehe bei Dimmer auf volle Leistung. Optimal ist ein Mischlicht aus natürlichem Licht von draußen (falls Fenster vorhanden sind) und Lichtquellen von innen. Manchmal ist es hilfreich, mit einem Aufsteckblitz indirekt nach hinten zur Decke zu blitzen. Das gibt dunkleren Stellen im Raum minimal Aufhellung, ohne dass die hinzugefügte Blitzlichtquelle definiert werden kann.

9. Kamera-Setup: Wähle eine möglichst geschlossene Blende (z.B f/11), um so viel Schärfe wie möglich im Bild zu erhalten. Bei Interieur-Fotografie mit Weitwinkel kommt es auf jedes Detail an, alles sollte scharf und erkennbar sein. Der ISO-Wert sollte zwischen 100-200 liegen, um Körnung und Qualitätsverlust zu vermeiden. Auf dem Stativ ist das kein Problem - eine Belichtung kann hier schnell mal bei 1 Sekunde liegen. Sehr wichtig ist es, im RAW Modus zu fotografieren (siehe Tipp 10)
10. Post Production: Die RAW-Daten können optimal in einem Entwicklungsprogramm (Adobe Lightroom oder - von mir bevorzugt - Capture One) bearbeitet werden. Stürzende Linien können hier entzerrt werden, ebenso können Helligkeitsunterschiede ausgeglichen werden. Abwedeln und Nachbelichten sind hier hilfreich, ebenso wie ein paar HDR Regler, die jedoch nicht zu wild bedient werden sollten, um einen natürlichen Look zu behalten.
Ein finaler Blick auf das Bild mit dem virtuellen Lineal ist besonders hilfreich. Alle Linien sollten waagerecht und senkrecht sein, nicht kippen oder spitz zulaufen. Helle Lichtpunkte sollten nicht ausfressen, ebenso sollten die Schatten minimale Zeichnungen behalten.

Für die zusätzlichen Mood-Fotos empfehle ich die Festbrennweiten mit 50mm und 85mm. Mit offener Blende (f/1.4) können hier Details in den Fokus gelegt werden, ohne dass ein Stativ benötigt wird. Suche dir spannende oder kuriose Gegenstände aus. Am besten ist es, wenn der Raum in der Unschärfe angedeutet wird, so dass der Bezug zum fotografierten Raum behalten wird.
Vielen Dank für den Bericht, Chantal. Du kannst mehr von Chantals Werken auf ihrer Instagram-Seite unter @pola_riot sehen. Oder lies weitere Artikel auf dem MPB- Blog.
Fotografierst du gerne Innenräume? Hast du eigene Tipps, die wir nicht in den Artikel erwähnt haben? Hinterlasse uns gerne einen Kommentar mit deinen Tipps.