
Wissen: 6 Top-Tipps für konzeptionelle Fotografie
Veröffentlicht am 28. Juli 2025 von MPB
Stephan Gladieu ist seit Jahrzehnten zwischen Fotojournalismus, Streetfotografie und konzeptioneller Fotografie unterwegs. Seine Laufbahn begann in den Tunneln der Pariser Métro und reicht bis zu Einsätzen in Konfliktgebieten auf der ganzen Welt. Im Laufe der Jahre entwickelte er seinen eigenen Stil, bei dem er dokumentarischen Realismus ganz bewusst mit symbolischen Elementen verbindet. In letzter Zeit hat sich Gladieu vor allem mit seiner eindrucksvollen konzeptionellen Fotografie einen Namen gemacht. Dabei wählt er die einzelnen Bildelemente gezielt aus und setzt sie in Szene, um eine tiefere Botschaft zu vermitteln. In Serien wie Homo Detritus kombiniert er Kostüme aus gefundenen Objekten, humanistische Porträts und kritische Auseinandersetzungen mit Themen wie Umwelt und Politik, um Bildwelten zu schaffen, die weit über die Oberfläche hinausgehen.
Wir haben mit Stephan über seinen kreativen Prozess, die Wahl seiner Ausrüstung und seine Ratschläge für den Einstieg in die konzeptionelle Fotografie gesprochen.

Stephan Gladieu | Nikon D850 | 24–70 mm | 50 mm | f/16 | 1/50 sec | ISO 320
Was ist eigentlich konzeptionelle Fotografie?
Für Stephan Gladieu geht es bei der konzeptionellen Fotografie um vollständige kreative Kontrolle. Anders als bei der klassischen Dokumentarfotografie, bei der die Bildaussage verzerrt oder umgedeutet werden kann, bietet die konzeptionelle Fotografie Künstler:innen die Möglichkeit „Regisseur:innen ihrer eigenen Welt“ zu werden. Stephan dazu:
„Bei der konzeptionellen Fotografie geht es stark um den künstlerischen Aspekt. Man konstruiert das Bild, kontrolliert die Botschaft und bringt seinen eigenen Stil mit ein.“
Bei Homo Detritus wählte Stephan bewusst eine bestimmte Symbolik. Während die Motive und Umgebungen real wirken, wird jedes Element – von der Beleuchtung bis zum Kostüm – sorgfältig kuratiert, um eine klare Botschaft zu vermitteln: „Beim konzeptionellen Teil ging es mir darum, die Kontrolle zurückzugewinnen. Ich wollte, dass das Bild nur so verwendet werden kann, wie ich es möchte.“

Stephan Gladieu | Nikon D850 | 24–70 mm | 44 mm | f/14 | 1/250 sec | ISO 320
Hier sind Stephans sechs Tipps für starke konzeptionelle Fotos:
1. Sei dir bewusst, welche Botschaft du vermitteln willst
„Für ausdrucksstarke Bilder brauchst du eine starke Botschaft.“
Am Anfang jedes konzeptionellen Fotos steht eine Idee. Stephan führt oft Tagebuch und hält seine Beobachtungen, wiederkehrende Themen und visuelle Gedanken in Notizbüchern fest, die er regelmäßig zur Hand nimmt und miteinander vergleicht, bis daraus die Idee für ein Projekt entsteht.
Ob Umweltpolitik oder die Symbolik nationaler Identität: konzeptionelle Fotografie lebt von bewussten Entscheidungen. Gladieu empfiehlt, sich bei der visuellen Darstellung von den eigenen Interessen leiten zu lassen. Frage dich, welche Themen in dir etwas auslösen und welche Gefühle oder kritischen Gedanken du in anderen wecken möchtest.

Stephan Gladieu | Nikon D850 | 24–70 mm | 42 mm | f/16 | 1/200 sec | ISO 200
2. Entwickle deine eigene Bildsprache
Gladieus charakteristischer Stil ist von religiöser Symbolik, Kunstgeschichte und Straßenporträts geprägt. Seine Bilder zeigen das Motiv oft frontal, stark stilisiert und von symbolischen Hinweisen umgeben:
„Um eine Idee an Menschen mit weniger Bildung oder ohne einen konkreten Kontext zu vermitteln, braucht es ikonische Elemente. Ich nutze meine farbenfrohen, auffälligen Frontalaufnahmen aber für humanistische Botschaften.“
Beim Fotografieren beschränkt sich Gladieu in der Regel auf drei Hauptfarben pro Bild, die für Harmonie sorgen und die Wirkung verstärken.

Stephan Gladieu | Nikon D850 | 24–70 mm | 24 mm | f/16 | 1/160 sec | ISO 320
3. Hol dir Inspiration auf der Straße
Trotz der sorgfältigen Planung seiner Bilder sieht sich Gladieu im Kern als Streetfotograf. Die gewählten Hintergründe sind immer echt und er findet sie oft bei langen Spaziergängen durch unbekannte Viertel:
„Ich laufe morgens mit einem Notizbuch durch die Stadt. Am Nachmittag kehre ich dann an bestimmte Orte zurück, um dort meine Motive abzulichten. Das dauert meistens auch gar nicht lange – maximal fünf Minuten. Dabei heißt es, präsent zu sein und seinem Auge zu vertrauen.“
Ein Auge für starke Kompositionen im Alltag entwickelt man mit der Zeit. So bleiben die eigenen Aufnahmen auf dem Boden der Tatsachen, auch wenn sie konzeptionell anspruchsvoll sind.

Stephan Gladieu | Nikon D850 | 24–70 mm | 42 mm | f/14 | 1/80 sec | ISO 320
4. Achte auf die Lichtgestaltung und benutze möglichst wenig Ausrüstung
Stephans Bilder entwickeln eine ganz eigene Leuchtkraft. Die helle, fast dreidimensionale Beleuchtung entsteht, indem er Sonnenlicht und professionelle Blitzgeräte kombiniert – und zwar mitten auf der Straße.
„Ich verwende nur Blitze mit einer Helligkeit knapp über der des Tageslichts. So kann ich das Motiv gut ausleuchten, ohne dabei die Farben der Umgebung zu verändern.“
Stephan Gladieu hat über die Jahre mit unterschiedlichen Kameras fotografiert – von der Nikon D850 bis zur Leica M11 –, ist aber davon überzeugt, dass das Ergebnis nicht unbedingt von der Wahl der Ausrüstung abhängt: „Ich habe schon unfassbare Arbeiten gesehen, die mit schrecklichen Kameras gemacht wurden, genauso wie schreckliche Bilder mit Top-Kameras.“
Sein Ratschlag: „Kenne deine Werkzeuge, lass dich aber nicht von ihnen einschränken. Am wichtigsten ist, dass du weißt, welche Geschichte du erzählen willst und wie du dir die Umsetzung vorstellst. Das technische Know-how kommt mit der Zeit.“

Stephan Gladieu | Nikon D850 | 24–70 mm | 36 mm | f/16 | 1/250 sec | ISO 200
5. Behalte dein Ziel im Auge
Stephan ist kein gelernter Fotograf, sondern hat sich sein Können erarbeitet, indem er jahrelang Verschiedenes ausprobiert, aus Fehlversuchen gelernt und sein Handwerk verfeinert hat:
„Ich habe viele schlechte Bilder gemacht, aber nur so lernt man, warum etwas funktioniert oder nicht.“
Fotograf:innen, die gerade erst anfangen, rät er, selbstkritisch zu sein, Muster zu erkennen und sich auf die visuellen Elemente zu konzentrieren, die eine:n am meisten ansprechen: „Wenn du mehrfach denselben Ansatz wählst, bist du wahrscheinlich auf dem richtigen Weg. Und wenn du davon förmlich besessen bist, hast du deine Stimme gefunden.“

Stephan Gladieu | Nikon D850 | 24–70 mm | 31 mm | f/16 | 1/160 sec | ISO 250
6. Bleib dir selbst treu und vertraue deinem Instinkt
Bei der konzeptionellen Fotografie geht es darum, mit symbolischen Mitteln Geschichten zu erzählen und Ideen zum Ausdruck zu bringen. Das bedeutet allerdings nicht, dass jedes konzeptionelle Foto außergewöhnlich oder komplex sein muss. Stephan glaubt an die Kraft der Aufrichtigkeit und des Instinkts:
„Du musst dich darauf konzentrieren, was du mit deinem Bild sagen willst, nicht darauf, wie andere es auffassen könnten.“
Indem du deiner Perspektive treu bleibst und deinem eigenen Blick vertraust, stellst du sicher, dass du persönliche und aussagekräftige Bilder machst.

Stephan Gladieu | Nikon D850 | 24–70 mm | 40 mm | f/16 | 1/200 sec | ISO 250
Jenseits des Rahmens
Bei der konzeptionellen Fotografie geht nicht darum, fantastische Welten um ihrer selbst willen zu erschaffen – zumindest nicht aus Gladieus Sicht. Vielmehr will sie echte Emotionen, die in der Welt um uns herum verwurzelt sind, durch kuratierte visuelle Darstellungen zum Ausdruck bringen. Diese Herangehensweise zwischen journalistischem Erzählen und lebendiger Bildsprache ist also gleichermaßen bodenständig wie fantasievoll.
Stephans Botschaft, wie Einsteiger:innen Bild für Bild ihre eigene Welt erschaffen können, ist klar: beobachten, denken, fotografieren, wiederholen!

Stephan Gladieu | Nikon D850 | 24–70 mm | 36 mm | f/14 | 1/50 sec | ISO 200
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