
MPB trifft: Setfotografin Kirsty Griffin
Veröffentlicht am 28. März 2022 von MPB
Setfotografin und Filmemacherin Kirsty Griffin arbeitet seit über 20 Jahren mit Produktionsfirmen wie der BBC, Warner Brothers und Netflix zusammen. In Otago, Neuseeland, war sie am Set des mehrfach preisgekrönten Films The Power of the Dog mit dabei, und Millionen von Menschen weltweit kennen ihre Fotos bereits. Wir haben Kirsty getroffen, um mit ihr über ihre Ausrüstung, Tipps für angehende Setfotograf:innen und ihre Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit Jane Campion, Benedict Cumberbatch und Kirsten Dunst zu sprechen.

MPB: Erzähl uns doch ein wenig über dich und deinen kreativen Background.
KG: Die Fotografie begeistert mich seit meiner Kindheit. Als kleines Mädchen hatte ich eine Diana-Kamera aus Plastik und mit Anfang Zwanzig entwickelte und druckte ich in der Dunkelkammer Schwarz-Weiß-Fotos für einen Fotografen. Schließlich landete ich in der neuseeländischen Filmindustrie – zunächst im Bereich Ausstattung –, wo ich Sets dekorierte usw. Ich war eine der Art Directors für Xena – Die Kriegerprinzessin und war Feuer und Flamme für diesen Job. Als die Produktion eingestellt wurde, war es für mich Zeit, den Sprung in die Fotografie zu wagen, und das naheliegendste Genre war natürlich die Setfotografie. Ich nahm mir ein Jahr frei und studierte Fotojournalismus und Dokumentarfotografie am International Centre of Photography in New York City. Das war eine tolle Zeit.
MPB: Welchen Rat würdest du angehenden Setfotograf:innen geben?
KG: Wenn du dich als Setfotograf:in ausprobieren möchtest, schlage ich vor, Produzent:innen oder Regisseur:innen von Low-Budget-Kurzfilmen zu kontaktieren und deine Dienste anzubieten. So kannst du dir ein vernünftiges Portfolio erarbeiten, das eine Vielzahl von Filmgenres und -stilen zeigt.

MPB: Was macht gute Setfotografie aus?
KG: Meiner Erfahrung nach muss man vor allem die Abläufe beim Film kennen. Da ich seit vielen Jahren am Set unterwegs bin, habe ich mittlerweile eine Art Instinkt dafür entwickelt, wie sich die Schauspieler:innen und die Crew beim Dreh verhalten. Man lernt schnell, wann man lieber im Hintergrund bleiben und sich vielleicht sogar eine Kaffeepause gönnen sollte. Am wichtigsten ist es, als Fotograf:in einen Draht zu den Schauspieler:innen aufzubauen. Ich selbst fotografiere am liebsten aus der Perspektive einer Fotojournalistin und versuche Geschichten zu erzählen, wobei ich mich schnell bewege. Mein wichtigster Tipp für die Setfotografie ist aber, das Ego an der Studiotür zu lassen und möglichst unsichtbar zu sein – was für eine Frau mittleren Alters, wie mich, eine leichte Übung ist!

Die wertvollsten Stills sind für mich diejenigen, die wichtige Beziehungen innerhalb der Geschichte abbilden. Ich versuche, ausdrucksstarke Bilder, wie das erste veröffentlichte Bild von Benedict Cumberbatch als Phil Burbank, zu bekommen, die das Wesen der Charaktere einfangen. Hier habe ich innerhalb weniger Minuten neun Aufnahmen gemacht und bei der Komposition darauf geachtet, dass das Foto Phil in einer der Rolle entsprechenden Umgebung zeigt, die seine Beziehung zur Ranch widerspiegelt. Die Tatsache, dass er die Hände hinter dem Rücken verschränkt – fast so, als wäre er gefesselt – verleiht dem Bild noch mehr Gewicht. Das Beste an diesem Bild ist aber, dass er direkt in die Kamera schaut und dabei ein gewisses Unbehagen ausstrahlt.

MPB: Wie läuft der Alltag einer Setfotografin ab? Ist er so glamourös, wie es aussieht?
KG: Am Filmset zu arbeiten hat absolut nichts Glamouröses! Du stehst früh auf, trägst deine bequemsten Schuhe und stehst den Tag in der prallen Sonne oder der Wind pfeift dir um die Ohren. Im Studio sitzt du meistens in irgendeiner dunklen Ecke, umgeben von stinkenden Kerlen (ich liebe euch, Jungs!). Filmcrews haben einen echt harten Job. Die Zusammenarbeit am Set erfordert viel Synergie – und manchmal auch, sich die Ausrüstung zu teilen und woanders mit anzupacken.
Ich bin meistens erst etwas später am Set als die anderen und werde deshalb oft als „Halbtags-Griffin“ bezeichnet (was natürlich gar nicht stimmt!). Dann gehe ich zusammen mit den Regisseur:innen, den DOPs, der Crew und der Besetzung das Drehbuch durch und überlege mir, von wo aus ich die Schlüsselszenen am besten einfange. In der Regel stehe ich hinter den Filmkameras. Die Kunst bei diesem Job ist herauszufinden, wie man die besten Aufnahmen hinbekommt, ohne zu viele Kompromisse einzugehen. Oft ist es einfach eine Frage der Geduld und des Wartens auf die passende Gelegenheit.

MPB: Was hattest du beim Dreh von The Power of the Dog in deiner Kameratasche und was ist bei der Ausrüstung für einen Filmdreh entscheidend?
KG: Ich benutze spiegellose Kameras von Sony – die Sony A7R und die Sony A9 – sowie Canon DSLR-Objektive und Sony E-Objektive. Deine Kamera muss vor allem leise sein. Früher habe ich mit DSLR-Kameras in einem schalldichten Gehäuse fotografiert, was sehr umständlich war und mir beim Fotografieren am Set viel Freude genommen hat. Spiegellose Systeme haben mir meine Arbeit wieder schmackhaft gemacht.
Ich habe am Set immer ein Stativ und ein Einbeinstativ mit dabei, falls ich die Gelegenheit für besondere Aufnahmen bekomme. Solche Gelegenheiten ergeben sich aber nur selten. Meine RAW-Dateien katalogisiere und bearbeite ich in Adobe Lightroom, was oft viel Zeit in Anspruch nimmt, da ich pro Tag locker mehr als tausend Aufnahmen mache. Zum Vergleich: Als ich anfing, am Set zu fotografieren, habe ich auf Dias mit einem Budget von sechs Rollen pro Tag fotografiert. Während Digitalkameras vieles einfacher gemacht haben und man sofort die Ergebnisse sieht, verursachen sie auch deutlich mehr Arbeit. Das ist auch einer der Gründe, warum ich etwas später als die Crew anfange, denn ich arbeite oft bis spät in die Nacht, wenn ich nach Hause komme.
MPB: The Power of the Dog ist mit berühmten Schauspieler:innen wie Benedict Cumberbatch, Kirsten Dunst und Jesse Plemons besetzt. Wie es ist, mit solchen Schauspielgrößen zu arbeiten, und fühlst du dich dabei jemals eingeschüchtert?
KG: Anfangs kann es ein wenig einschüchternd sein, aber ich bin bei der Arbeit selbstbewusst und professionell. Zunächst ist es immer ein bisschen seltsam, berühmte Schauspielgrößen das erste Mal vor der Kamera zu haben, dann wird es aber schnell zur Normalität. Jesse Plemons sagte mir, dass er meine Anwesenheit spüren kann, aber dass meine Energie gut zu seiner passt. Das war ein schönes Kompliment!

Mein erstes Gespräch mit Benedict Cumberbatch hatte ich gleich am ersten Tag. Er ritt mit seinem Pferd auf mich zu und sagte: „Tolle Schuhe!“ Es hat echt Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten, und er war sehr großzügig mit seiner Zeit. Kirsten Dunst war auch ganz toll. Generell wissen erfahrene Schauspieler:innen in der Regel ganz gut mit der Crew umzugehen. Schließlich kommt es beim Film auf eine gute Zusammenarbeit an.

MPB: Die atemberaubende Kulisse von The Power of the Dog spielt im Film in vielerlei Hinsicht eine Schlüsselrolle. Kannst du uns mehr darüber erzählen, wo er gedreht wurde und was aus fotografischer Sicht so besonders daran war?
KG: Wir haben alle Außenaufnahmen der Ranch mitten in Otago auf der Südinsel Neuseelands gedreht. Anscheinend war es dort mehr „Montana“ als in Montana! Die Lichtverhältnisse waren einfach atemberaubend. Wir haben im Sommer gedreht, um das lange Abendlicht auszunutzen. Drehbeginn war jeweils am späten Vormittag, um bis in die Dämmerung hinein filmen zu können. Das hat nicht nur im Film, sondern auch bei meinen Fotos für das gewisse Etwas gesorgt.

MPB: Der Film wurde für mehrere Oscars nominiert und war 2022 in aller Munde. Wie fühlt es sich an, an einem so großen Projekt beteiligt gewesen zu sein und deine Arbeit überall zu sehen?
KG: Es fühlte sich damals ganz besonders an, und Jane Campion hat so eine tolle Energie und viel Vertrauen in ihr Team. Das ist es, was man sich bei jedem Job wünscht. The Power of the Dog war eines der schönsten Projekte, an denen ich je beteiligt war. Wir hatten ein großartiges Produktionsteam, das den ganzen Zirkus am Laufen hielt. Es ist fantastisch zu sehen, wie viele meiner Bilder tatsächlich verwendet wurden. Und Assouline hat gerade ein 300-seitiges Buch mit vielen meiner Bilder veröffentlicht.
MPB: Zu deiner Arbeit am Set gehören das Einfangen von Stills und Porträtaufnahmen, die für Promozwecke verwendet werden. An welchen dieser Bilder arbeitest du lieber, und was sind die wesentlichen Unterschiede?
KG: Beim Film sind einige Aufnahmen gestellt. Das Marketingteam schickt dir jede Menge Ideen und Wünsche für Poster und Werbematerial, die zur Vermarktungsstrategie für den Film passen. Persönlich bevorzuge ich Stills am Set. Die passen einfach besser zu mir, da ich im Herzen Fotojournalist und keine Studiofotografin bin. Stills und Porträts sind zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe und können einem richtig viel abverlangen.

Billy Bob Thornton hat einmal etwas sehr Schlaues gesagt: „Setfotograf:innen gehören zu den am meisten unterschätzten Mitgliedern eines Filmteams. Sie halten etwas fest, das sonst niemand tut: die Realität. Sie dokumentieren private Momente der Schauspieler:innen beim Dreh, Lampenfieber, Vorbereitung und alles, was das Publikum im Film nicht sieht. Sie sind die Seele des Sets. Außerdem machen sie manchmal Momentaufnahmen, die schließlich auf dem Filmposter landen. Sie sind also Teil des „Moments“, und trotzdem engagieren Filmproduktionen oft teure Fotograf:innen, um Momente, die bereits perfekt festgehalten wurden, im Nachhinein nachzustellen.“
MPB: Du beschreibst dich als leidenschaftliche Unterstützerin der neuseeländischen Filmindustrie. Verrätst du uns, warum das für dich so wichtig ist?
KG: Wer sonst sollte neuseeländische Geschichten erzählen, wenn wir es nicht tun? Es ist sehr, sehr wichtig, unsere eigenen Geschichten zu erzählen und unsere eigene Identität in der Welt des Films zu haben. Ich arbeite wirklich gerne an neuseeländischen Filmen und das wird auch immer so bleiben. Magie über Geld, jedes Mal!

MPB: Kannst du uns mehr über deine aktuellen Filmprojekte erzählen, einschließlich der mit mehreren Preisen ausgezeichneten Produktion House of Champions?
KG: In meiner Freizeit mache ich auch Dokumentarfilme. Es ist eine Herzensangelegenheit, aber befriedigt meinen Drang, Geschichten zu erzählen. Meine Partnerin Viv Kernick und ich haben als Zweierteam an vier Dokumentarprojekten gearbeitet. Wir haben viel Zeit mit Erwachsenen mit geistiger Behinderung verbracht, die alle in derselben kleinen Stadt zusammenleben, in der auch wir wohnen. Die Webserie ist auf amystreet.net zu sehen und hat weltweit einige Preise gewonnen. Es war ein großartiges Gefühl, diesen unterschätzten Menschen eine Stimme zu geben, die Ähnlichkeiten ihres Lebens mit unserem eigenen zu zeigen und ihnen in unserer Kleinstadt mehr Präsenz zu geben.
Außerdem haben wir einen Film für unseren Lokalsender gemacht. House of Champions handelt von einem Haus, in dem die drei Mitbewohner:innen für die Special Olympics trainierten. Wir haben das Training und die Spiele als Vehikel genutzt, um die Geschichte von temperamentvollen, lebenslustigen Menschen zu erzählen, die vor denselben schwierigen Entscheidungen in Sachen Liebe und Beziehungen stehen, wie alle anderen da draußen.

MPB: Hast du zurzeit auch noch andere Projekte, an denen du arbeitest und von denen du uns erzählen möchtest? Was sind deine Pläne für die Zukunft?
KG: Unser neuester Kurzfilm Pluck wird demnächst auf dem indigenen Fernsehsender Maori TV gezeigt. Hier geht es um eine traditionelle Weberin mit derber Ausdrucksweise und einer schlimmen Krebserkrankung. Sie webt ihren letzten Maori-Federumhang, auch Korowai genannt. Sie weiß, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt, und möchte die wenige Zeit nutzen, um einen Umhang für ihre Tochter zu machen. Die Suche nach Federn führt sie auf eine Insel 1.000 km vor der Küste Neuseelands, wo sie Weka [einheimische Vögel] jagt.
Pluck kam auf indigenen Filmfestivals weltweit gut an und gewann zwei Festivals hier in Neuseeland. Die Teilnahme am Big Sky Film Festival in Montana war eine besondere Ehre für uns, und unser Film fand bei den Native Americans großen Anklang. Er wurde auch auf dem ImagineNative in Kanada gezeigt und wir bekamen tolles Feedback – darunter ein Gedicht über unsere Protagonistin Jean Neshausen.
Während unseres letzten Lockdowns habe ich angefangen, an einem Buch mit Fotos von hinter den Kulissen meiner Jahre am Set zu arbeiten. Das macht mir viel Spaß und ist ein fortlaufendes Projekt. Aber im Moment genieße ich unseren Sommer beim Schwimmen im Pazifik und in nahegelegenen Flüssen.

Willst du deine Kameraausrüstung verkaufen oder in Zahlung geben? Erhalte ein kostenloses Sofortangebot, kostenlosen und versicherten Versand an MPB und eine schnelle Bezahlung. Wenn du deine Kameraausrüstung beim Kauf von MPB-geprüfter Ausrüstung in Zahlung gibst, ist der Versand in beide Richtungen kostenlos.